FDP-Regionsfraktion diskutiert bei Fachtagung über Auswirkungen des Brexit auf die Wirtschaft in der Region Hannover


 Die FDP-Fraktion Region hat im Rahmen einer eigenen Fraktionsfachtagung zur Europapolitik über mögliche Auswirkungen des BREXIT auf die Wirtschaft in der Region Hannover diskutiert. Im Podium waren die Erste Regionsrätin Cora Hermenau (CDU), die Bundestagsabgeordnete Ulla Ihnen (FDP), der Leiter der Abteilung „International“ der IHK Hannover Tilman Brunner und Landwirt Arnd von Hugo, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Landvolkkreisverbandes Hannover e. V. vertreten. Fazit der Diskussionsveranstaltung: Bund, Land, Kommunen, Handel und Landwirtschaft sind bestmöglich auf organisatorische Herausforderungen auch im Falle eines harten BREXITS vorbereitet.

Die Erste Regionsrätin Cora Hermenau ging in ihrem Statement auf Unterstützungsangebote des in ihrem Dezernat angesiedelten Teams „EU-Angelegenheiten“ ein. Die bisherige Förderkulisse werde in der neuen Förderperiode der EU im Zeitraum von 2021-2027 noch stärker konzentriert auf einige wenige Förderziele. Diese umfassten Investitionsförderungen für Innovationen und Digitalisierung, insbesondere im Bereich der Vernetzung von strategischen Verkehrs- und Digitalnetzen. Ziel ist die Einführung europäischer Verkehrsmanagementsysteme für den Luft- und Schienenverkehr für eine nachhaltige, integrative und sichere Mobilität mit der Möglichkeit zur Verringerung des CO²-Ausstoßes. In der Energiewirtschaft stehe die Schaffung intelligenter digitaler Energienetze auf der Agenda mit dem Ziel der Garantie der Versorgungssicherheit im Binnenmarkt. Ziel ist insbesondere eine Zusammenarbeit der Regierungen der Mitgliedsstaaten beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Im Bereich der Digitalisierung werde weiter an der Bereitstellung von digitalen Netzen mit sehr hoher Kapazität gearbeitet. Bereiche mit hoher sozioökonomischer Bedeutung wie Schulen, Krankenhäuser, Verkehrsknotenpunkte, Hauptanbieter öffentlicher Dienste und „von der Digitalisierung geprägte“ Unternehmen sollen bis 2025 Zugang zu zukunftsorientierten Breitbandverbindungen erhalten. Auch im Fokus stehen Förderungen in den Bereichen Soziales, Bildung, Inklusion sowie die Unterstützung lokaler Entwicklungsstrategien im Bereich der Stadtentwicklung. Hermenau informierte abschließend, dass sowohl das Land Niedersachsen als auch die Region Hannover derzeit auf Basis des mehrjährigen Finanzrahmens der EU von 2021-2027 eigene Strategien entwickelten. Übergreifendes Ziel ist, die eigenen Beratungsdienstleistungsangebote noch besser sichtbar zu machen, das Netzwerk und die Partnersuche in Europa noch stärker auszubauen und eine Wissensdatenbank zu etablieren.
Fragen zur Förderkulisse und zur Unterstützung und Beratung von Unternehmen finden Sie unter folgendem Link: https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Politik/Politische-Gremien/Europa/Service/Die-Stabsstelle-EU-Angelegenheiten

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Ulla Ihnen, Mitglied im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags und stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Irischen Parlamentariergruppe, berichtete über Pläne, Maßnahmen und Gesetze des Bundes zur Abmilderung des BREXIT, der für den Bundeshaushalt eine prognostizierte Finanzierungslücke in Höhe von rd. 800 Mio. € erwarten ließe. Notfallpläne seien in jedem Bundesministerium erarbeitet worden und hierüber werde in den jeweiligen Internet-Portalen der Bundesministerien informiert. Erwähnung fand in rechtlicher Sicht insbesondere das BREXIT-Steuerbegleitgesetz. Dies enthält Regelungen aus den Bereichen Steuern, Finanzmarkt und Arbeitsmarkt. So soll im Bereich der Steuern ein Bestandsschutz gelten in Fällen, in denen der BREXIT eine unerwünschte Rechtsfolge auslöst. Für den Fall eines Austritts Großbritanniens ohne Abkommen sieht das Gesetz Regelungen vor, die nachteilige Auswirkungen auf die deutschen Geschäftspartner britischer Finanzunternehmen abzufedern helfen. Weitere Regelungen im Bereich des Finanzmarktrechts betreffen u. a. Bestandsschutzregelungen im Bausparkassengesetz, in der Verordnung über die Anlage des Sicherungsvermögens von Pensionskassen und kleinen Versicherungsunternehmen sowie im Pfandbriefgesetz. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte in einem Entschließungsantrag zum BREXIT-Steuerbegleitgesetz gefordert, dass gemäß Kreditwesengesetz sicherzustellen sei, „dass deutsche Wirtschafts- und Finanzunternehmen wegen des Brexits nicht gezwungen sind, ihr notwendiges Risikoabsicherungsgeschäft über Derivate einzustellen und sich damit größeren Risiken auszusetzen.“ Weitere wesentliche Forderung der FDP-Bundestagsfraktion war, dass „die im Versicherungsaufsichtsgesetz gewählte Übergangsfrist ausreichend ausgestaltet werde.“ Zwar wurde der Entschließungsantrag der FDP-Bundestagsfraktion mehrheitlich abgelehnt, laut Ihnen habe sich die Bundesregierung insgesamt aber gut auf die anfänglich zu erwartenden großen Herausforderungen durch den BREXIT vorbereitet. Jedoch werde hier absolutes Neuland betreten und daher seien viele Fragen noch abschließend zu klären. Offenbar würde jedoch auch einiges an Maßnahmenplanungen zurückgehalten, denn es werde nun zunächst vonseiten des Britischen Parlaments eine Entscheidung zum BREXIT erwartet.

Der Leiter der Abteilung „International“ bei der IHK Hannover Tilman Brunner betonte in seinem Beitrag, dass die Mitgliedsunternehmen der IHK Hannover bestmöglich auf einen weichen wie auch auf einen harten BREXIT vorbereitet seien. Die Hälfte seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei derzeit mit der Beratung und Informationen zu Zoll-Angelegenheiten befasst, während die andere Hälfte zu ausländischen Wirtschaftsaktivitäten berate. Durch den zusätzlichen Zoll-Aufwand sei mit einem Mehraufwand insbesondere für Personal in Höhe von geschätzt rd. 250 Mio. € zu planen, denn ausgelöst durch einen BREXIT sei mit einer Anzahl von zusätzlichen 15 Millionen Zoll-Genehmigungen zu rechnen. Man sei unterdessen aber gut auf alle möglichen Szenarien vorbereitet. Um einen Stau auf dem hoch-frequentierten Lieferweg mit LKW in Richtung Dover zu vermeiden, seien Vorbereitungen zur Verteilung der Warenbewegungen auf mehrere kleinere Häfen erfolgt. Auch nach einem BREXIT rechnet Brunner fest damit, dass Großbritannien ein wichtiger Handelspartner der EU bleibe. Jedoch müssten Vorbereitungen erfolgen, da in diesem Falle mittelfristig ein Rückgang der Wachstumsdynamik in Großbritannien zu erwarten sei. Eine Erarbeitung von Freihandelsabkommen würde die beteiligten Länder jedoch vor große Herausforderungen stellen angesichts der Komplexität der zu verhandelnden Sachverhalte, die zudem viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Die niedersächsischen Unternehmen hätten dessen ungeachtet jedoch viel Praxis im Handel mit Drittstaaten.

Arnd von Hugo, Vorstandsmitglied beim Landvolkkreisverband Hannover e. V. informierte darüber, dass man sich in Deutschland insgesamt keine allzu großen Sorgen in Hinsicht auf eine angemessene Versorgung mit Lebensmitteln machen müsse. Großbritannien habe aufgrund seiner vergleichsweise geringen Selbstversorgungsquote mit großer Sicherheit weiterhin ein hohes Interesse am Handelspartner EU. Die Selbstversorgungsquote Großbritanniens liege derzeit lediglich durchschnittlich bei rund 60%. Bei den restlichen 40% werde bis dato ein Anteil von 30% aus der EU nach Großbritannien exportiert. In Deutschland sei die Selbstversorgungsquote deutlich höher angesiedelt. Als Beispiel nannte von Hugo die Versorgung mit Fleisch; hier ist die Selbstversorgungsquote auf einem Niveau von 115% angesiedelt. Bei Eiern liegt diese bei 77%. Niedersächsische Waren genössen in Großbritannien einen sehr guten Ruf. Es sei in Großbritannien bedingt durch die Stagnation in der Landwirtschaft, die durch einen Strukturwandel ausgelöst wurde, derzeit eine starke Entwicklung zum Horten von Waren festzustellen. Dies habe erheblichen Mehrbedarf an Lagerkapazitäten ausgelöst. Zur Rolle der Landwirtschaft in der EU merkte Herr von Hugo an, dass diese den größten Anteil der Mittel aus dem EU-Haushalt erhielten, es sich hierbei gleichzeitig aber auch um den größten vergemeinschafteten Bereich handele. Die Zahl der im Bereich der Landwirtschaft Tätigen sei in Deutschland stetig zurückgegangen. Der Landvollkreisverband Hannover e. V. als Interessenvertretung im Gebiet der Region Hannover sei die Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten strittigen Themenfeldern gewohnt. Er betonte in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der verstärkten Kooperation mit der Region Hannover und stellte als gelungenes Beispiel hierfür die erfolgreiche Zusammenarbeit bei einem Projekt zur Stärkung der Biodiversität in der Region Hannover heraus. Im Vergleich zum Vorjahr habe die Landwirtschaft den Etat hierfür in 2019 auf rd. 300.000 € verdoppelt auf einer Gesamtfläche im Wert von insgesamt rd. 3 Mio. €. Seit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft in Deutschland ab 1995 hätte rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe, insbesondere Kleinbetriebe, den Betrieb aufgegeben. Bei einem Rückgang der EU-Förderung drohte vielen Betrieben die Unwirtschaftlichkeit. Sein Resümee lautet, dass im Falle eines BREXIT der Handel kurzfristig um ca. 50% rückgängig sein könnte, wobei mit erheblich höheren Auswirkungen auf den britischen Lebensmittelmarkt zu rechnen sei als auf den deutschen.

Der FDP-Kandidat für die Europa-Wahlen aus der Region Hannover Niklas Drexler aus Langenhagen warf in der anschließenden von der Fraktionsvorsitzenden Christiane Hinze moderierten Diskussion Fragen zur Mobilität und Flexibilität der Unternehmen und zum möglichen Abschluss von Freihandelsabkommen auf. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Ulla Ihnen betonte, dass die Bundesregierung mit den verabschiedeten Gesetzen und Verordnungen für Übergangsregelungen sorge. Der Fokus liege jedoch auf einem Bestandsschutz. Neugeschäfte seien hierbei ausdrücklich nicht involviert. Der Vertreter der IHK Hannover Tilman Brunner erklärte, dass zahlreiche Unternehmen sich auf die unterschiedlichsten Szenarien vorbereitet hätten. Überwiegend bestehe der nun der Wunsch, dass schnellstmöglich zur besseren Planbarkeit Klarheit seitens des Britischen Parlaments geschaffen würde, ob ein BREXIT erfolgen werde und ob mit einem Abkommen, damit die Unternehmen ihre wirtschaftlichen Erwägungen besser darauf abstimmen könnten.