Aktuelle Stunde in der Regionsversammlung am 26.02.2019 Thema „8. März – Internationaler Frauentag – Wie setzt die Region geschlechtergerechte Teilhabe in Verwaltung und Politik um?“ Redebeitrag des gleichstellungspolitischen Sprechers Gerhard Kier


 

-Es gilt das gesprochene Wort!-

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrter Herr Regionspräsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

mehr als 60 Jahre nach der Aufnahme des uneingeschränkten Gleichberechtigungsgrundsatzes in das Grundgesetz ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern noch immer nicht selbstverständlich gewährleistet. Art. 3 Absatz 2 des GG besagt - Zitat: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Zitatende.

Hier in der Region Hannover haben wir mit großen politischen Mehrheiten jedoch schon vieles auf den Weg gebracht, um die Möglichkeiten zur gleichberechtigten Teilhabe zu erweitern und zu verbessern.

 

Die FDP setzt vor allem auf die Chancengleichheit für alle Geschlechter. Das bedeutet in der Arbeitswelt ganz konkret, dass Erfolge bei der Gleichberechtigung immer dann zu verzeichnen sind, wenn ausreichend gute Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf verfügbar sind.

 

Untersuchungen haben gezeigt, dass das Fehlen von Betreuungsmöglichkeiten die Hauptursache für Mütter ist, ihre Erwerbstätigkeit nach der Elternzeit einzuschränken. - Mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter 3jährige wurde vor über fünf Jahren eine wichtige Voraussetzung geschaffen, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Insbesondere durch eine Erweiterung bzw. Verbesserung der Betreuung in Früh- und Spätzeiten und am Wochenende können hier weitere wichtige Etappenziele erreicht werden. Von hoher Bedeutung ist für uns außerdem die Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher sowie ein Ausbau der Tagespflegeangebote. Mit der Familienpflegezeit wurde eine Möglichkeit geschaffen, Erwerbstätigkeit und Pflege kranker Angehöriger besser zu vereinbaren.

 

Klare Erfolge dieser Politik zeichnen sich bereits ab: In den letzten Jahren hat insbesondere bei jungen Männern eine Veränderung des Rollenverständnisses eingesetzt. Jeder vierte junge Vater nimmt Elternzeit in Anspruch. Studien belegen, dass eine große Zahl erwerbstätiger Männer sich eine kürzere Arbeitszeit wünscht, um sich mehr der Familienarbeit bzw. der Kinderbetreuung zu widmen. Gleichzeitig möchten immer mehr Frauen ihre Arbeitszeit verlängern, um sich beruflich weiterzuentwickeln. All dies dient dazu, insbesondere Frauen eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, die im Alter zu eigenständigen und existenzsichernden Rentenansprüchen führt.

 

Gleichheit der Chancen bedeutet für uns aber nicht Gleichmacherei, sondern Akzeptanz individueller Lebensentwürfe. Der einzelne Mensch und die bestmögliche Förderung seiner individuellen Fähigkeiten stehen bei der FDP im Mittelpunkt.

 

Die Region ist rechtlich dazu verpflichtet, alle drei Jahre einen Gleichstellungsplan zu erarbeiten. Über dieses Instrument werden die Regionsverwaltung und die Regionsversammlung in die Lage versetzt, genau zu analysieren, in welchen Berufsfeldern innerhalb der Regionsverwaltung je Unter- bzw. Überrepräsentanzen von Frauen und Männern festzustellen sind. Auf dieser Grundlage können weitere konkretere Ziele von Verwaltung und Politik gesteckt werden, um eine gleichmäßigere Verteilung der Geschlechter in den unterschiedlichen Berufsfeldern zu erreichen. Wenn zum Beispiel Männer häufiger den Zugang zu Berufen im sozialen Bereich finden, werden diese Berufe in der Folge zunehmend mehr Anerkennung in der Gesellschaft insgesamt finden. Das Wissen um die besonderen fachlichen Herausforderungen und erforderlichen sozialen Kompetenzen, die für die Ausübung dieser Berufe erforderlich sind - zum Beispiel im Gesundheitswesen in der Pflege in Altenheimen oder in Krankenhäusern - kann erst eine faire Debatte über angemessene Löhne in diesen Berufsfeldern ermöglichen, in denen bisher immer noch überwiegend Frauen arbeiten.

 

Die Region leistet hieraus resultierend einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Rollenstereotypen durch das alljährliche Angebot des Zukunftstages. An diesem Tag erhalten Schülerinnen und Schüler Einblick in die unterschiedlichsten Berufsfelder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Regionsverwaltung. Hierbei wird darauf geachtet, dass Mädchen und Jungen jeweils über Berufsfelder informiert werden, in denen ihr jeweiliges Geschlecht bisher unterrepräsentiert ist. Insgesamt soll hierdurch eine Erweiterung des Berufswahlverhaltens unterstützt werden.

 

 

Die FDP-Fraktion setzt sich insbesondere auch dafür ein, dass Frauen, die in technischen, naturwissenschaftlichen Berufen ausgebildet werden oder ein naturwissenschaftliches Studium absolvieren wollen, gefördert werden. Als erfolgreiche und stark nachgefragte Projekte möchte ich an dieser Stelle exemplarisch das Förderprogramm der Region Hannover „Back2Job Ingenieurinnen gesucht 3“ und das Projekt „Roberta RegioZentrum“ nennen. Um das Interesse für die sogenannten MINT-Studiengänge schon bei jüngeren Schülern zu wecken, insbesondere auch bei Schülerinnen, wurde vom Land Niedersachsen vor einigen Jahren die Ideen-EXPO auf den Weg gebracht, die ein Gewinn auch für die Region Hannover ist.

 

 

Die FDP setzt außerdem bei der Gleichberechtigung der Geschlechter in der Arbeitswelt einen besonderen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Frauen, die ein Unternehmen gründen wollen. Bisher ist die unternehmerische Initiative bei Frauen immer noch deutlich geringer als bei Männern. Zudem ist die Risikobereitschaft in Bezug auf Finanzierungsfragen weniger ausgeprägt, was sich folglich auf die Arbeitsproduktivität sowie Umsatz und Gewinn von Unternehmen auswirkt.

 

 

Klar ist allerdings auch, dass Gesetze und Programme ein gesellschaftliches Umdenken nicht erzwingen können. Hier sind gute Informationsmaterialien und –formate sowie gute Bildungsangebote grundsätzlich von entscheidender Bedeutung.

 

 

Neben den vielfältigen Herausforderungen zur Herstellung von Gleichberechtigung in der Arbeitswelt muss die gleichberechtigte Teilhabe im gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Bereich im Fokus der gesellschaftlichen Debatte sein und bleiben. Chancengerechtigkeit zwischen Frauen und Männern wird seit einigen Jahren nicht mehr nur als Querschnittsaufgabe gesehen, sondern auch als Längsschnittaufgabe. Das bedeutet, dass Gleichstellungspolitik sich nicht konzentriert auf „Momentaufnahmen“, sondern dass sowohl kurz-, als auch langfristig wirkende Entscheidungen und ihre Auswirkungen auf die Chancengerechtigkeit von der Politik bedacht werden. Wir sollten uns also nicht nur ausschließlich auf Gegenwartsanalysen konzentrieren, sondern langfristige Lebenslaufperspektiven in den Blick nehmen. - Dies hat die Bundesregierung in ihrem ersten Gleichstellungsbericht aus dem Jahr 2011 bereits festgehalten. Auch auf regionaler Ebene ist diese perspektivische Ausrichtung der Gleichstellungspolitik Zielführend, um gesellschaftliche, soziale und arbeitsmarktrelevante Veränderungsprozesse rechtzeitig zu erkennen und sich darauf einzustellen.

 

 

Alle Akteure müssen auf ihrer Ebene einen Beitrag leisten, damit wir in der Region Hannover Gleichberechtigung voranbringen, denn eine Politik der Geschlechtergerechtigkeit trägt dazu bei, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu befördern und zu stärken.

 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!